Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt Haftung von Nachrichtenportalen für beleidigende Kommentare – Opfer erhält Schadensersatz – von Rechtsanwalt Ralf Hornemann

 

In einer topaktuellen Entscheidung vom 10.10.2013, AZ. ECHR 294 (2013), hat eine Kammer des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass eines der größten estnischen Nachrichtenportale zu Recht von der zuständigen Gerichtsbarkeit Estlands zur Zahlung von Schadensersatz an ein Opfer extrem beleidigender Kommentare auf Internetseiten verurteilt wurde.

Wer ist der EGMR und wofür ist er zuständig?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wurde auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) 1959 eingerichtet. Mittlerweile erlangte es in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung bei der Überprüfung gerichtlicher  Entscheidungen in den Mitgliedsstaaten. „Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“, die 1953 in Kraft trat, ist Maßstab der Überprüfung und Ergebnis eines gemeinsamen Beschlusses der Staaten des Europarates. Die Zuständigkeit des Europarates besteht unter anderem darin, ein Forum für Debatten zur allgemeinen europäischen Entwicklung zu bieten.  Seine satzungsmäßige Aufgabe ist die Verwirklichung eines engeren Zusammenschlusses unter seinen Mitgliedern zu fördern, um das gemeinsame Erbe wahren sowie den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu unterstützen und Förderung bereit zu stellen.

Was war geschehen?

Vor einigen Jahren hatte das estländische Nachrichtenportal Delfi AS über geschäftliche Pläne eines Fährunternehmens berichtet. Daraufhin stellten eine Vielzahl von Nutzern des Portals teilweise extrem beleidigende Kommentare gegen das Fährunternehmen und dessen Eigentümer auf den Kommentarseiten zu diesem Artikel ein. Da, wie in solchen Fällen üblich, die überwiegende Mehrzahl der Kommentare anonym eingestellt wurde, hatte das angegriffene Unternehmen keine Möglichkeit, direkt gegen die Verfasser der Kommentare vorzugehen. Zwar hatte das Nachrichtenportal statuiert, dass die Verfasser von Kommentaren selbst verantwortlich seien und auch einen automatischen Wortfilter eingerichtet, mit dessen Hilfe verschiedene beleidigende Worte automatisch ausgefiltert werden sollten sowie eine Funktion eingerichtet, mit deren Hilfe User den Betreiber auf verbotene Inhalte aufmerksam machten konnten, dennoch aber kam es zur Veröffentlichung einer Vielzahl von beleidigenden und verletzenden Äußerungen.

 Wie entschied die estnische Justiz?

Da das beleidigte Unternehmen den Urhebern der verletzenden Kommentare nicht habhaft werden konnte, nahm es Delfi AS selbst in Anspruch. Die estnische Justiz gab ihm Recht. Das Portal wurde zur Zahlung von Schadensersatz – wenn auch nur in geringer Höhe – verurteilt. Der oberste Gerichtshof Estlands bestätigte die Urteile.

Dagegen wandte sich nun das Nachrichtenportal mit seiner Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es begründete die Beschwerde damit, dass die E-Commerce- Richtlinie der EU eine Haftung ausschließe, weil das Portal nur passiver, technischer Bereitstelle und daher nicht für die Kommentare seiner Nutzer verantwortlich sei. Ebenso könne Delfi AS das Recht auf freie Meinungsäußerung für sich beanspruchen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hingegen sah das Recht auf freie Meinungsäußerung in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht verletzt, da auch dieses Recht durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der von beleidigenden und verletzenden Kommentaren Betroffenen eingeschränkt wird.

Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung in Deutschland

Die Europäische Menschenrechtskonvention steht im Rang unter dem Grundgesetz auf Ebene des einfachen Bundesgesetzes. Somit sind Urteile des EGMR für die deutschen Gerichte eine Auslegungshilfe der Konvention. Eine konventionskonforme Auslegung des deutschen Rechts ist vorrangig, Entscheidungen deutscher Gerichte, die davon abweichen, müssen ausführlich begründet werden und eine eingehende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EGMR enthalten.

 

Die Rechtslage in Bezug auf ehrverletzende Äußerungen im Internet ist in Deutschland aber eine andere:

Tatsachenbehauptungen sind, sofern sie wahr sind, immer erlaubt. Meinungsäußerungen sind soweit zulässig, bis die Grenze zur Schmähkritik oder Beleidigung und Verleumdung überschritten ist. Rechtsanwalt und Experte im Internetrecht Dr. Thomas Schulte, Namensgeber der Kanzlei Dr. Schulte und Partner verdeutlicht, dass eine Abwägung im Einzelfall durch die Gerichte, die naturgemäß schwierig sein kann, stattfinden muss. Ein Provider haftet gegenüber dem durch eine Äußerung Verletzten jedoch nur als Störer, das bedeutet, sobald er auf eine ehrverletzende Äußerung hingewiesen wurde, hat er diese gegebenenfalls nach Prüfung von seinem Angebot zu entfernen. Ein Anspruch auf Herausgabe der Nutzerdaten zur Ermöglichung der Rechtsverfolgung besteht aber nicht. Ebenso wenig kann der Verletzte vom Provider Schadensersatz verlangen.

Das Internet vergisst nichts, Verbotenes und Negatives bleibt durch digitale Archive, Suchmaschinen und vernetzten Bloggern präsent und das weltweit. Die Hilfe von Experten, damit sich möglicherweise dadurch sehr schnell die Rechtsverletzungen beseitigen lassen ist oftmals unumgänglich. Da wie in diesem Fall bereits erhebliche Nachteile für den Betroffenen entstanden sind, ist die Hinzuziehung einer Reputationshilfe für das Internet neben dem „Reputationsmanagement by law“ unerlässlich, um dauerhafte Schäden für das digitale Image zu verhindern.

 

 

V.i.S.d.P.:

 

Ralf Hornemann

Rechtsanwalt

 

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